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Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Das Beschleunigungsgebot ist ein elementarer Grundsatz des Disziplinarverfahrens. Durch eine rasche und effektive Ahndung der Dienstvergehen sollen das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Integrität der Verwaltung gestärkt werden. Zugleich sollen die von einem Disziplinarverfahren ausgehenden Belastungen für die betroffenen Beamtinnen und Beamten so kurz wie möglich gehalten werden.
Diesen Zielen wird das Disziplinarrecht umso besser gerecht, je schneller Disziplinarverfahren abgeschlossen werden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Disziplinarverfahrens bei statusrelevanten Maßnahmen können in der Praxis jedoch mehrere Jahre vergehen.
Dies ist insbesondere bei extremistischen Verfehlungen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Verwaltung in besonderer Weise beeinträchtigen, schwer vermittelbar. Auch ist es schwer zu vermitteln, dass Personen, die das Grundprinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung offen ablehnen, mitunter mehrere Jahre bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch den öffentlichen Haushalt – und somit durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – weiterhin in beträchtlicher Höhe ihre Bezüge erhalten und diese auch nach Rechtskraft der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht zurückzahlen müssen.
Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sieht vor, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können, um die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen (Zeile 191 bis 193).
Die Umsetzung des Vorhabens erfolgt durch eine Reform des Bundesdisziplinargesetzes (BDG). Der Gesetzentwurf strebt eine Vereinfachung und Beschleunigung der Disziplinarverfahren bei statusrelevanten Maßnahmen, nicht aber die Absenkung der rechtsstaatlichen Standards an. Das Disziplinarverfahren ist ein umfassendes Erkenntnisverfahren, das mit Blick auf die möglichen statusrechtlichen Folgen für die Beamtinnen und Beamten rechtsstaatlich geboten ist. Die Unschuldsvermutung, die Beweislast im Sinne einer behördlichen Darlegungs- und Feststellungslast hinsichtlich des Dienstvergehens und die Gewähr
rechtlichen Gehörs, effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens bilden den rechtsstaatlichen Kern des Disziplinarverfahrens, der unbedingt zu erhalten ist.
Die vorgesehenen Änderungen des BDG fokussieren sich in Umsetzung des Koalitionsvertrags auf die Entfernung aus dem öffentlichen Dienst als schärfste Disziplinarmaßnahme bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht als besonders schwerem Dienstvergehen. Der Gesetzentwurf verfolgt insgesamt aber auch aus systematischen Gründen einen umfassenden Beschleunigungsansatz, der alle Disziplinarmaßnahmen und Dienstvergehen erfasst. Dies ist angesichts der auch bei anderen Dienstvergehen sehr lange dauernden Disziplinarklageverfahren geboten.
Innerhalb des bestehenden disziplinarrechtlichen Systems sind die Beschleunigungsmöglichkeiten begrenzt. Das Beschleunigungsgebot des § 4 BDG und dessen zahlreiche Ausprägungen in den unterschiedlichen Regelungskontexten des BDG lassen eine weitergehende zeitliche Straffung der Disziplinarverfahren nur in sehr begrenztem Umfang zu.
Signifikante Beschleunigungseffekte lassen sich hingegen durch eine Ausweitung der behördlichen Disziplinarbefugnis erreichen. Wie die übrigen Disziplinarmaßnahmen sollen künftig auch die Zurückstufung, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts als schärfste Disziplinarmaßnahmen mittels Disziplinarverfügung
ausgesprochen werden. Das langwierige Verfahren der Disziplinarklage, welches die Disziplinarbehörde bisher vor dem Verwaltungsgericht erheben muss, um gegen die Beamtin oder den Beamten eine Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder gegen eine Ruhestandsbeamtin oder einen Ruhestandsbeamten eine Aberkennung des Ruhegehalts zu erreichen, wird dadurch abgelöst.
Bei besonders gravierenden Verfehlungen kann das Beamtenverhältnis auch aus anderen Gründen enden. Dies gilt insbesondere bei strafrechtlichen Verurteilungen. Unter den Voraussetzungen des § 41 BBG oder § 24 BeamtStG tritt bei Freiheitsstrafen – im Regelfall von mindestens einem Jahr, bei einzelnen Straftatbeständen bereits von mindestens sechs
Monaten – unmittelbar der Verlust der Beamtenrechte ein. Eines auf Entfernung gerichteten Disziplinarverfahrens bedarf es in diesem Fall nicht mehr, ein laufendes Disziplinarverfahren ist einzustellen.
Der Vorrang des Strafverfahrens gegenüber dem Disziplinarverfahren rückt die außerhalb des BDG liegenden Mechanismen zur Beendigung des Beamtenverhältnisses in den Vordergrund.
Mit dem Gesetzentwurf soll daher zugleich der Beschluss der 218. Innenministerkonferenz zur Aufnahme des Straftatbestands der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB in § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BeamtStG umgesetzt werden. Künftig soll bei einer
Volksverhetzung bereits eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte führen. Für die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten ist eine parallele Änderung des § 41 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BBG vorgesehen.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Der Gesetzentwurf sieht folgende Schwerpunkte vor:
1. Umfassende behördliche Disziplinarbefugnis, Fortfall der Disziplinarklage
Um eine Beschleunigung der Disziplinarverfahren zu erreichen, sollen künftig sämtliche Disziplinarmaßnahmen durch Disziplinarverfügung ausgesprochen werden (Artikel 1 § 33 des Gesetzentwurfs).
Ein wesentlicher Grund für die lange Dauer von Disziplinarverfahren liegt darin, dass die Disziplinarbehörden Entfernungen und andere statusrelevante Maßnahmen nicht selbst aussprechen dürfen, sondern über eine Disziplinarklage eine gerichtliche
Entscheidung beantragen müssen (gerichtliche Disziplinarbefugnis). Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist die Berufung stets zulässig, so dass in der Regel ein dreistufiger Entscheidungsprozess besteht: Gelangt die Disziplinarbehörde
im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens zu der Überzeugung, dass eine Zurückstufung, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder eine Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich ist, hat sie vor dem Verwaltungsgericht Disziplinarklage zu erheben (§ 34 Absatz 1 BDG geltender Fassung). Das Verwaltungsgericht entscheidet im Rahmen einer eigenständigen, vom Antrag des Dienstherrn unabhängigen Disziplinarbefugnis über die Klage und spricht gegebenenfalls die erforderliche Disziplinarmaßnahme auf Grund einer eigenen Bemessungsentscheidung nach § 13 BDG geltender Fassung (erstmals) aus. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage steht den Beteiligten stets zulassungsfrei die Berufung beim Oberverwaltungsgericht zu (§ 64 Absatz 1 BDG geltender Fassung).
Mit dem vorgesehenen Wechsel zur umfassenden behördlichen Disziplinarbefugnis können die Disziplinarbehörden selbst sämtliche Disziplinarmaßnahmen aussprechen.
Durch die Vorverlagerung der Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme auf die behördliche Ebene ist ein schnellerer Abschluss des Disziplinarverfahrens möglich: Lässt die Beamtin, der Beamte, die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte die Disziplinarverfügung in Bestandskraft erwachsen, findet eine gerichtliche Befassung mit der Disziplinarmaßnahme in diesen Fällen schon nicht mehr statt. Erhebt die Beamtin, der Beamte, die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte hingegen Anfechtungsklage, prüft das Verwaltungsgericht die Disziplinarverfügung.
Da die schärfsten Disziplinarmaßnahmen der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts als gebundene Entscheidungen ausgestaltet sind, unterliegt die Disziplinarverfügung mangels Beurteilungs-
und Ermessensspielräumen der Verwaltung der gerichtlichen Vollkontrolle.
Effektiver nachgelagerter Rechtsschutz wird hierdurch sichergestellt. Die Berufung
gegen das Urteil steht den Beteiligten zu, wenn diese durch das Verwaltungsgericht
oder das Oberverwaltungsgericht wegen des Vorliegens eines der Zulassungsgründe
nach § 124 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zugelassen
wird. Wird die Berufung nicht zugelassen, ergibt sich eine Verkürzung des Entscheidungsprozesses,
die zu einer deutlichen Beschleunigung führt.
Verfassungsrechtliche Zweifel an dem Modell der umfassenden behördlichen Disziplinarbefugnis
bestehen seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zum Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg (BVerfG, Beschluss
vom 14.1.2020 – 2 BvR 2055/16 –) nicht mehr. Das in Baden-Württemberg
seit über zehn Jahren praktizierte Modell der umfassenden behördlichen Disziplinarbefugnis
ist auf den Bund übertragbar („Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
durch Verwaltungsakt – Zur Möglichkeit der Einführung einer bundesgesetzlichen
Regelung entsprechend den §§ 31, 38 Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg“,
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
vom 7.10.2020 – WD 6 – 3000 – 080/20).
Die umfassende behördliche Disziplinarkompetenz stärkt die Personalhoheit und -
verantwortung der Dienststellen und erweist sich auch als systematisch stimmig.
Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme mittels Disziplinarverfügung erfolgt bereits
nach geltender Rechtslage im Bereich der unteren Disziplinarmaßnahmen
(Ausspruch eines Verweises, einer Geldbuße oder der Kürzung der Dienstbezüge
oder des Ruhegehalts), ist dem Disziplinarrecht also nicht fremd. Auch werden andere
statusrelevante Personalentscheidungen wie die Entlassung nach den §§ 32ff.
BBG oder die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§§ 44 ff.
BBG) durch Verwaltungsakt ausgesprochen. Ferner erfolgt auch bei Beamtinnen
und Beamten auf Probe oder auf Widerruf die Entlassung mittels Verwaltungsakt
(§§ 37 und 43 BBG).
Bereits im Zuge des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9.
Juli 2001 (BGBl. I, S. 1510) wurde das Disziplinarrecht verfahrensrechtlich von dem
Strafprozessrecht gelöst und an das allgemeine Verwaltungsverfahrens- und -prozessrecht
angenähert. Die volle behördliche Disziplinarkompetenz führt diesen seit
Jahrzehnten andauernden Prozess konsequent weiter und stellt das Disziplinarrecht
in die Zeit.
2. Ausgestaltung der Berufung als Zulassungsberufung
Als Konsequenz der umfassenden behördlichen Disziplinarbefugnis wird die Berufung
als Zulassungsberufung ausgestaltet.
Im geltenden System der Disziplinarklage ist die Zulassungsfreiheit der Berufung
(§ 64 Absatz 1 BDG geltender Fassung) geboten, um eine gerichtliche Überprüfung
der erstmalig durch das Verwaltungsgericht ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme
zu ermöglichen.
Mit der Einbeziehung auch statusrelevanter Disziplinarmaßnahmen in die behördliche
Disziplinarbefugnis entfällt demgegenüber die Notwendigkeit einer zulassungsfreien
Berufung, weil die behördliche Entscheidung bereits durch das Verwaltungsgericht
im Wege einer umfassenden Vollkontrolle der Behördenentscheidung geprüft
wurde; effektiver nachgelagerter Rechtsschutz gegen die disziplinarbehördliche
Entscheidung ist daher bereits durch die verwaltungsgerichtliche Befassung sichergestellt.
Dadurch wird die Rechtsweggarantie des Artikel 19 Absatz 4 GG gewährleistet;
ein Instanzenzug wird durch diese Vorschrift nicht vorgegeben.
Die Zulassungspflicht der Berufung ist bei der umfassenden behördlichen Disziplinarbefugnis
systematisch stimmig. Bereits nach geltender Rechtslage steht den Beteiligten
gegen Urteile des Verwaltungsgerichts, die eine Disziplinarverfügung zum
Gegenstand haben, die Berufung nur zu, wenn diese durch das Verwaltungsgericht
oder das Oberverwaltungsgericht zugelassen wird (§ 64 Absatz 2 BDG geltender
Fassung). Die Zulassungspflicht der Berufung in Disziplinarsachen entspricht zudem
den verwaltungsprozessualen Prinzipien des § 124 VwGO und ist somit Folge
der Anpassung des Disziplinargerichtsverfahrens an das allgemeine Verwaltungsprozessrecht.
3. Konkretisierung der Bemessungstatbestände für Disziplinarmaßnahmen
Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist in Ermangelung konkretisierender gesetzlicher
Vorgaben jenseits der allgemeinen Bemessungskriterien (Schwere des
Dienstvergehens, der Vertrauensbeeinträchtigung und des Persönlichkeitsbilds) im
Schwerpunkt richterrechtlich ausgeprägt. Der Gesetzentwurf sieht erstmals ein gesetzliches
System für die Bemessung der Disziplinarmaßnahmen vor, das auf der
Rechtsprechung basiert (Artikel 1 § 13 des Gesetzentwurfs). Der hierdurch geschaffene
Rechtsrahmen soll den Disziplinarbehörden eine stärkere Orientierung bei der
Bemessungsentscheidung geben und hierdurch auf eine einheitlichere Handhabung
des Disziplinarrechts hinwirken. Zudem schaffen die gesetzlichen Vorgaben
die notwendige Kontrolldichte für die gerichtliche Prüfung der behördlichen Verfügung.
Die Ausgestaltung der Bemessungstatbestände orientiert sich an den Regelungen
des Landesdisziplinargesetzes Baden-Württemberg, welche Gegenstand der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14.1.2020
– 2 BvR 2055/16 –) waren.
Maßgebliches Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme soll wie bisher
die Schwere des Dienstvergehens sein, wobei die Bemessung anhand von drei
Schweregraden erfolgt: Während Verweis und Geldbuße ein leichtes Dienstvergehen
erfordern, setzen die Kürzung der Bezüge oder des Ruhegehalts und die Zurückstufung
ein mittelschweres Dienstvergehen voraus. Die Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts sind nur bei einem
schweren Dienstvergehen zulässig. Die Geldbuße kann zudem auch bei einem mittelschweren,
die Zurückstufung bei einem schweren Dienstvergehen in Betracht
kommen.
Weiterhin soll es für die Maßnahmenbemessung auf das Maß ankommen, in dem
die Beamtin oder der Beamte durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn
oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung beeinträchtigt hat.
Während die Bemessungsgesichtspunkte des Vertrauensverlusts für die schärfsten
Disziplinarmaßnahmen der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aber-
kennung des Ruhegehalts in § 13 Absatz 2 BDG geltender Fassung bereits vorgegeben
sind, soll für die anderen Disziplinarmaßnahmen das jeweils erforderliche
Maß der Vertrauensbeeinträchtigung erstmals normiert werden. Vorgesehen sind
fünf Grade des Maßes der Vertrauensbeeinträchtigung und zwei Grade des Maßes
des Ansehensverlustes: Ein Verweis soll eine geringfügige, eine Geldbuße eine
nicht nur geringfügige und eine Kürzung der Bezüge eine erhebliche Beeinträchtigung
des Vertrauens erfordern. Für die Kürzung des Ruhegehalts gilt Entsprechendes.
Eine Zurückstufung soll nur zulässig sein, wenn das Vertrauen nachhaltig erschüttert
ist. Hat der Dienstherr das Vertrauen in die Beamtin oder den Beamten
durch das Dienstvergehen endgültig verloren, ist sie oder er – wie schon bisher nach
§ 13 Absatz 2 Satz 1 BDG geltender Fassung – aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Entsprechendes gilt für die Aberkennung des Ruhegehalts bei Ruhestandsbeamtinnen
und Ruhestandsbeamten.
Disziplinarmaßnahmen haben in der Regel zum Ziel, die Beamtinnen und Beamten
zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten anzuhalten. Für den Verweis, die
Geldbuße, die Kürzung der Bezüge oder des Ruhegehalts sowie die Zurückstufung
soll die Pflichtenmahnung als ermessenslenkender Zweck in den gesetzlichen Vorschriften
ausdrücklich genannt werden. Hierdurch erhalten die Gerichte einen Maßstab
zur Kontrolle der Ermessensausübung.
Schließlich ist – wie schon nach § 13 Absatz 1 Satz 3 BDG geltender Fassung –
das Persönlichkeitsbild der Beamtin oder des Beamten als übergreifender Bemessungsaspekt
zu berücksichtigen, der sich sowohl auf die gesetzlich vorgesehenen
Bemessungsgesichtspunkte der einzelnen Disziplinarmaßnahmen (insbesondere
die Schwere des Dienstvergehens) als auch auf die Ermessensausübung auswirken
kann.
4. Ausweitung vorläufiger Maßnahmen
Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte haben nach § 80 Absatz 1 Satz 1 VwGO
aufschiebende Wirkung. Wie schon die Disziplinarklage so hat auch der Ausspruch
der Disziplinarmaßnahme mittels Disziplinarverfügung zunächst keine Auswirkungen
auf den Beamtenstatus und den hiermit verknüpften Alimentationsanspruch,
wenn die Beamtin oder der Beamte form- und fristgerecht Widerspruch und/oder
Anfechtungsklage gegen die Disziplinarverfügung einlegt. Hat die Beamtin oder der
Beamte jedoch durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn
oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist für eine weitere Dienstausübung kein
Raum und es ist dem Dienstherrn auch nicht zuzumuten, die vollen Dienstbezüge
weiter zu zahlen.
Nach geltender Rechtslage kann die Disziplinarbehörde eine Beamtin oder einen
Beamten jederzeit ab Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes
entheben und bis zu 50 Prozent der monatlichen Bezüge einbehalten, wenn die
Beamtin oder der Beamte voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen
ist. Diese Ermessensentscheidung soll sich künftig mit dem Erlass der Disziplinarverfügung
auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu einer gebundenen Entscheidung
verdichten (Artikel 1 § 38 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3
Satz 2 des Gesetzentwurfs). Die Beamtin oder der Beamte ist daher zwingend des
Dienstes zu entheben, sobald die Disziplinarbehörde gegenüber der Beamtin oder
dem Beamten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausspricht. Zugleich ist
der Einbehalt von Teilen der Bezüge oder – wenn gegenüber einer Ruhestandsbeamtin
oder einem Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts ausgesprochen
wird – des Ruhegehalts zwingend anzuordnen.
5. Korrektur finanzieller Fehlanreize bei Entfernungen aus dem Beamtenverhältnis
Werden Teile der Beamtenbezüge oder des Ruhegehalts vorläufig einbehalten, verfallen
diese unter den Voraussetzungen des § 40 BDG geltender Fassung. Die Regelung
soll für Fälle, in denen die Beamtin oder der Beamte aufgrund eines Verstoßes
gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht aus dem Dienst entfernt
wird, durch einen Anspruch auf Rückerstattung der seit der Zustellung der Disziplinarverfügung
auf Entfernung oder Aberkennung des Ruhegehalts bis zum unanfechtbaren
Abschluss des Disziplinarverfahrens fortgezahlten Bezügebestandteile
ergänzt werden (Artikel 1 § 40 Absatz 2 des Gesetzentwurfs). Gleiches soll gelten,
wenn gegen die Beamtin, den Beamten, die Ruhestandsbeamtin oder den Ruhestandsbeamten
in einem sachgleichen Strafverfahren eine Strafe verhängt worden
ist, die den Verlust der Rechte als Beamter oder Ruhestandsbeamter nach § 41
Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Bundesbeamtengesetzes oder § 59 Absatz 1 Satz 1
Nummer 1 oder 2 Buchstabe b des Beamtenversorgungsgesetzes zur Folge hat.
Der Rückerstattungsanspruch korrigiert finanzielle Fehlanreize, die dadurch entstehen
können, dass die Beamtinnen und Beamten den Abschluss des Disziplinarverfahrens
oder des Strafverfahrens nur deshalb hinauszögern, um die partielle Fortalimentation
möglichst lange zu erhalten. Er dient somit ebenfalls der Beschleunigung
der Disziplinarverfahren.
6. Sicherung und Stärkung der Rechte der Beamtinnen und Beamten
Im behördlichen Disziplinarverfahren sind die Beamtinnen und Beamten durch eine
Reihe von Anhörungs- und anderen Verfahrensrechten besonders geschützt. Außerdem
steht ihnen auch künftig mindestens eine volle gerichtliche Tatsacheninstanz
zur Verfügung, zudem ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet.
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf weitere Maßnahmen vor, die die
Rechte der Betroffenen innerhalb des Disziplinarverfahrens sichern und stärken:
- Erweiterte Möglichkeiten des Wiederaufgreifens des behördlichen Verfahrens
unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 51 VwVfG (Artikel 1
§ 36 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs).
- Schaffung eines Restitutions- und Entschädigungsanspruchs in Entsprechung
zu § 76 BDG geltender Fassung, wenn im Zuge des Wiederaufgreifens
des behördlichen Verfahrens eine unanfechtbare Disziplinarverfügung
aufgehoben und das Disziplinarverfahren nachträglich eingestellt wird (Artikel
1 § 36 Absatz 3 des Gesetzentwurfs).
- Erhalt und Ausweitung des Widerspruchsverfahrens auf sämtliche Disziplinarmaßnahmen
als Instrument der Selbstkontrolle der Verwaltung, sofern
die Disziplinarverfügung nicht von der obersten Dienstbehörde erlassen worden
- (§ 41 BDG geltender Fassung). Dem Beschleunigungsgebot soll
durch eine verkürzte Frist für die Erhebung der Untätigkeitsklage Rechnung
getragen werden (Artikel 1 § 52 Satz 2 des Gesetzentwurfs).
- Beibehaltung der gestuften Disziplinarbefugnisse innerhalb der Behördenhierarchie
(Artikel 1 § 34 des Gesetzentwurfs) zur Absicherung des Vier-Augen-
Prinzips und der Neutralität der behördlichen Entscheidung.
- Neben der Änderung des BDG sieht der Gesetzentwurf die Aufnahme des
Straftatbestands der Volksverhetzung in § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
BeamtStG und in § 41 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BBG vor. Künftig soll eine
rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen
Volksverhetzung unmittelbar zum Verlust der Beamtenrechte führen.
Den in § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BeamtStG und § 41 Absatz 1 Satz 1
Nummer 2 BBG aufgeführten Straftatbeständen ist gemein, dass ihre Begehung
geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Beamtinnen
und Beamten und das Ansehen des öffentlichen Dienstes in besonderer
Weise zu schädigen. Auch bei der Volksverhetzung setzt sich die
Beamtin oder der Beamte in bewussten Widerspruch zu den Werten, die sie
oder er als Beamtin oder Beamter verteidigen soll. Die Rechtsfolge des Verlustes
der Beamtenrechte tritt mit Rechtskraft des Strafurteils ein. Eines Disziplinarverfahrens
mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
bedarf es in diesem Fall nicht.