Disziplinarrecht: Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften

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Stimmen zum Gesetzentwurf:

dbb

Die Bundesregierung will Disziplinarverfahren für Beamtinnen und Beamte des Bundes beschleunigen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das aber nicht gelingen, mahnt der dbb.

„Es wird nur der Anschein erweckt, dass verfassungsfeindliche Beamtinnen und Beamte schneller aus dem Dienst entfernt werden könnten, weil die Dienstbehörde nach der geplanten Gesetzesänderung selber die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis als Disziplinarmaßnahme verhängen darf. Faktisch ist aber vielmehr zu erwarten, dass die Verfahren sogar verlängert werden – denn neben dem bewährten behördlichen Disziplinarverfahren und einem bis zu dreistufigen gerichtlichen Instanzenzug kommt noch ein behördliches Widerspruchsverfahren hinzu“, kritisierte der dbb Fachvorstand Beamtenpolitik Friedhelm Schäfer bei einer Anhörung im Bundesinnenministerium am 7. Februar 2023.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf plane die Bundesregierung nicht weniger als eine komplette Kehrtwende im Disziplinarrecht des Bundes. Schäfer: „Für diesen umfassenden Ansatz gibt es aber überhaupt keinen sachlichen Grund. Selbst laut der Gesetzesbegründung gab im Jahre 2021 nur 373 Disziplinarmaßnahmen, gleichbedeutend mit 0,2 Prozent der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten. Die Anzahl der Disziplinarklagen im gleichen Zeitraum betraf 25 Fälle oder 0,01 Prozent der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ging es dabei auch nicht ausschließlich um verfassungsfeindliche Positionen oder Handlungen, denen man grundsätzlich natürlich – da gibt es keinen Dissens – mit großer Entschiedenheit entgegentreten muss. Dieser Gesetzentwurf taugt dazu aber nicht, sondern sendet lediglich eine Botschaft des Misstrauens sowohl an die Beschäftigten als auch an die Bürgerinnen und Bürger – obwohl es sich eben nur um Einzelfälle handelt.“

Schäfer betonte erneut, dass der dbb in seiner Stellungnahme auch konstruktive Vorschläge für echte Verbesserungen im Disziplinarrecht vorgelegt habe: „Aus unserer Sicht wäre es für eine effektive, durchgängige und dauerhafte Beschleunigung der Verfahren zielführend, nach dem Vorbild des Freistaates Bayern vorzugehen und eine zentrale Stelle einzurichten, die mit guter personeller Ausstattung die Ermittlungen durchführt. Deshalb fordert der dbb die Wiedereinführung des Bundesdisziplinaranwaltes. Dort könnten Fachleute, die die Befähigung zum Richteramt haben, die Ermittlungsverfahren konzentriert, sachkundig und effektiv bearbeiten. Sie hätten das Wissen, wie ein solches Verfahren zügig und rechtstaatlich durchgeführt werden kann. Auch würde damit die Einheitlichkeit der Ermittlungen gewahrt.“

Außerdem fordert der dbb, dass das Disziplinarrecht bundeseinheitlich geregelt wird. „Die Pflichten der Landesbeamtinnen und -beamten sind in einem Bundesgesetz, dem Beamtenstatusgesetz, geregelt. Auch das Strafgesetzbuch regelt bundeseinheitlich gleichmäßig die Straftaten, die zu einer Entfernung aus dem Amt führen. Für ihr Disziplinarrecht haben die Bundesländer aber keine Vorgaben, lediglich der Verlust der Beamtenrechte ist im Beamtenstatusgesetz normiert. Dabei würde das Grundgesetz einer solchen einheitlichen Lösung nicht entgegenstehen, da nur die Besoldung, Versorgung und das Laufbahnrecht im Rahmen der Föderalismusreform I davon ausgenommen worden sind“, erklärte Schäfer.

Quelle: Newsletter dbb beamtenbund und tarifunion

 


Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften

A. Problem und Ziel

Im Jahr 2021 wurden in der Bundesverwaltung 373 Disziplinarmaßnahmen verhängt. Im Verhältnis zu der Gesamtzahl der rund 190 000 beim Bund tätigen Beamtinnen und Beamten kam es somit bei weniger als 0,2 Prozent zu disziplinarischen Folgen. Auch im Mehrjahresvergleich ist die Zahl der Disziplinarverfahren stabil auf einem niedrigen Niveau.

Jedes Dienstvergehen beeinträchtigt das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung. Ganz überwiegend handelt es sich jedoch nicht um schwere Dienstvergehen, so dass in der Verwaltungspraxis lediglich ein Verweis, eine Geldbuße oder die Kürzung der Dienstbezüge oder des Ruhegehalts angezeigt ist, also Disziplinarmaßnahmen, mit denen leichte bis mittelschwere Dienstvergehen geahndet werden.

Nur in wenigen Fällen wird das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsausübung und in die Integrität des öffentlichen Dienstes so nachhaltig gestört, dass statusrelevante Maßnahmen auszusprechen sind. Diese reichen von der Zurückstufung bis zu der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts. Besonders schwerwiegende Auswirkungen auf das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit haben extremistische Handlungen. Nach § 60 Absatz 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

Die Verfassungstreuepflicht ist prägender Ausdruck des beamtenrechtlichen Treue- und Dienstverhältnisses. Beamtinnen und Beamte, die sich mit ihrem Verhalten offen in Widerspruch zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie stellen, die sie in ihrem Amt schützen und verteidigen sollen, sind im öffentlichen Dienst untragbar.

Bis zum rechtskräftigen Abschluss eines auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarverfahrens können in der Praxis jedoch mehrere Jahre vergehen. Im geltenden Disziplinarklagesystem dauern Verfahren im Durchschnitt knapp vier Jahre. Dies ist insbesondere bei Personen, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, nicht hinzunehmen, auch weil die Betroffenen während des gesamten Disziplinarverfahrens weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Bezüge erhalten.

Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sieht daher vor, „Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, um die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen“ (Z 191-193).

Ziel des Gesetzentwurfs ist eine spürbare Beschleunigung aller Disziplinarverfahren, in denen statusrelevante Maßnahmen ausgesprochen werden. Ein Sonderrecht ausschließlich zur Entfernung von Extremisten ist dem disziplinarrechtlichen Regelungsmodell systemfremd.

Zugleich sind angesichts der möglichen sozialen und wirtschaftlichen Folgen eines Disziplinarverfahrens die berechtigten Interessen der Betroffenen zu wahren. Die rechtsstaatlichen Voraussetzungen des Disziplinarverfahrens wie die Unschuldsvermutung, die Gewähr rechtlichen Gehörs, die Rechtsweggarantie oder die Beweislast bleiben daher unberührt.

B. Lösung

Durch die Änderung des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) wird das langwierige Verfahren der Disziplinarklage durch umfassende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden abgelöst.

Statt Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben zu müssen, sollen die Disziplinarbehörden künftig sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Zurückstufung, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, durch Disziplinarverfügung aussprechen (Artikel 1 § 33 des Gesetzentwurfs).

Durch die Vorverlagerung des Ausspruchs auch dieser statusrelevanten Disziplinarmaßnahmen auf die behördliche Ebene ist ein schnellerer Abschluss des Verfahrens möglich.

Effektiver Rechtsschutz wird durch die Möglichkeit der nachgelagerten gerichtlichen Vollkontrolle der Disziplinarverfügung durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt; die Berufung wird in Entsprechung zur Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung als Zulassungsberufung ausgestaltet.

Der Ausspruch sämtlicher Disziplinarmaßnahmen durch Verwaltungsakt ist verfassungskonform (BVerfG, Beschluss vom 14.1.2020 – 2 BvR 2055/16 –) und hat sich in Baden-Württemberg, an dessen Regelungen sich der Gesetzentwurf orientiert, seit über zehn Jahren bewährt. Der Erlass eines Verwaltungsaktes entspricht der üblichen Handlungsform der Verwaltung in beamtenrechtlichen Personalentscheidungen und ist daher systematisch angemessen.

Das Modell ist für die Behörden leichter umsetzbar und stärkt die Personalhoheit und -verantwortung des Dienstherrn auch nach außen.

Durch die Konkretisierung der Bemessungstatbestände für Disziplinarmaßnahmen wird erstmals ein Rechtsrahmen zur Gewährleistung der notwendigen Kontrolldichte für die gerichtliche Vollkontrolle der Disziplinarverfügung geschaffen (Artikel 1 § 13 des Gesetzentwurfs).

Finanzielle Fehlanreize des geltenden Disziplinarklagesystems werden korrigiert. Bisher verbleiben der Beamtin oder dem Beamten die bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entfernungsentscheidung gezahlten Bezüge. Für Beamtinnen und Beamte kann es daher von Interesse sein, den Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hinauszuzögern, um möglichst lange weiterhin Bezüge zu erhalten. Um diesen Fehlanreizen auch im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung zu begegnen, sollen Beamtinnen und Beamte, die wegen eines Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 60 Absatz 1
Satz 3 BBG aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurden, die bis zur Bestandskraft fortgezahlten Bezüge zurückerstatten müssen (Artikel 1 § 40 Absatz 2 des Gesetzentwurfs). Zudem soll der nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zu gewährende Unterhaltsbeitrag in diesen Fällen zwingend entfallen (Artikel 1 § 10 Absatz 3 des Gesetzentwurfs).

Die dem Schutz der Beamtinnen und Beamten dienenden Verfahrensrechte bleiben erhalten.

Auch bei Disziplinarverfügungen auf Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts ist künftig ein Widerspruchsverfahren als Instrument exekutiver Selbstkontrolle vorgesehen. Eine Ausnahme gilt – wie bisher – wenn die Disziplinarverfügung von der obersten Dienstbehörde erlassen worden ist. Der Gesetzentwurf erweitert zudem die Möglichkeit der Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens und schafft einen Folgenbeseitigungs- und Entschädigungsanspruch (Artikel 1 § 36 des Gesetzentwurfs).

Bei schweren Dienstvergehen führen strafrechtliche Verurteilungen zu Freiheitsstrafen – im Regelfall ab einem Jahr, in besonderen Fällen ab sechs Monaten – nach § 41 BBG und § 24 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) unmittelbar zum Verlust der Beamtenrechte, ohne dass es eines Disziplinarverfahrens bedarf. Diese beamtenrechtlichen Beendigungsgründe
sollen durch die Aufnahme des Straftatbestands der Volksverhetzung in § 41 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BBG, § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BeamtStG, § 59 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 b sowie § 61 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Beamtenversorgungsgesetzes erweitert werden, so dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung nicht erst wie bisher bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr beziehungsweise bei Versorgungsbeziehenden von zwei Jahren, sondern bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte beziehungsweise der Versorgungsbezüge führt (Artikel 5 bis 7).

C. Alternativen

Innerhalb des bestehenden Disziplinarklagesystems ist eine weitere Beschleunigung der Disziplinarverfahren nur in sehr begrenztem Umfang und nur zu Lasten des Schutzniveaus der betroffenen Beamtinnen und Beamten möglich. Gegenüber eventuellen Beschleunigungseffekten, die durch die Zentralisierung der behördlichen Disziplinarbefugnisse bei den unmittelbaren Dienstvorgesetzten sowie durch den Wegfall des Widerspruchsverfahrens erreichbar wären, soll einem sorgfältigen, von einem Mehr-Augen-Prinzip geprägten behördlichen Entscheidungsprozess der Vorrang eingeräumt werden.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Regelungen führen im Bundeshaushalt zu einer vernachlässigbaren Reduzierung der Besoldungsausgaben in wenigen Einzelfällen. Auf die Einnahmen und Ausgaben der Länder hat der Gesetzentwurf keine Auswirkungen.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand. Es werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für den Bund entsteht durch die vorgesehene Erstreckung des Widerspruchsverfahrens auf Disziplinarverfügungen, die eine Zurückstufung, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder eine Aberkennung des Ruhegehalts zum Gegenstand haben, Erfüllungsaufwand in vernachlässigbarem Umfang. Für die Länder und Kommunen entsteht kein Erfüllungsaufwand.

F. Weitere Kosten

Durch den Fortfall der gerichtlichen Disziplinarbefugnis und die damit verbundene Zulassungspflichtigkeit der Berufung erstinstanzlicher verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen entstehen für die Gerichte der Länder Entlastungen in geringem Umfang.

Weitere Kosten, insbesondere sonstige Kosten für die Wirtschaft oder Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, entstehen nicht.


 

 

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