Aktuelles für Beamtinnen und Beamte: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Besoldung der Berliner Landesbeamten (Besoldungsordnung A) im Zeitraum 2008 bis 2020. Das Berliner Gesetz ist laut Karlsruhe weit überwiegend verfassungswidrig

Neu aufgelegt: März 2025

 

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Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG): Besoldung der Berliner Landesbeamten (Besoldungsordnung A) im Zeitraum 2008 bis 2020 weit überwiegend verfassungswidrig

Beschluss vom 17. September 2025 - 2 BvL 20/17, 2 BvL 21/17, 2 BvL 5/18, 2 BvL 6/18, 2 BvL 7/18, 2 BvL 8/18, 2 BvL 9/18

Karlsruhe entscheidet am 19.11.2025: die Beamtenbesoldung Berlin ist weitgehend verfassungswidrig

Mit heute - am 19.11.2025 - veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Besoldungsordnungen A des Landes Berlin im Zeitraum 2008 bis 2020 mit wenigen Ausnahmen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.

Der Entscheidung liegen mehrere Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sowie des Bundesverwaltungsgerichts zu einzelnen Besoldungsgruppen und Zeiträumen zwischen 2008 und 2017 zugrunde. Die Prüfung wurde durch den Senat auf alle Besoldungsordnungen A und auf den gesamten Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2020 erweitert.

In seinem Beschluss entwickelt der Senat seine bisherige Rechtsprechung fort. Die gerichtliche Kontrolle, ob die Besoldung evident unzureichend und Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) deshalb verletzt ist, vollzieht sich in drei Schritten: Erforderlich ist – erstens, sofern Anlass dafür besteht – eine Prüfung des Gebots der Mindestbesoldung (Vorabprüfung). Es bedarf – zweitens – einer zweistufigen Prüfung des Gebots, die Besoldung der Beamten fortlaufend an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards anzupassen (Fortschreibungsprüfung). Schließlich – drittens – ist, sofern die Vorabprüfung oder die Fortschreibungsprüfung einen Verstoß gegen das Alimentationsprinzip ergibt, zu prüfen, ob dieser Verstoß ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Im Ergebnis stellt der Senat fest, dass rund 95 % der geprüften Besoldungsgruppen in den Jahren 2008 bis 2020 mit dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig sind. Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat verfassungskonforme Regelungen bis zum 31. März 2027 zu treffen.

Sachverhalt:

Den Vorlagen liegen sieben Klagen von Beamtinnen und Beamten im Dienst des Landes Berlin zugrunde, welche die Feststellung begehren, dass ihre Besoldung nicht amtsangemessen war. Sowohl ihre Widersprüche als auch ihre Klagen vor dem Verwaltungsgericht Berlin blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat zwei Berufungsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung im Land Berlin in den Besoldungsgruppen A 7, A 8 und A 9 in bestimmten, näher bezeichneten Jahren mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar war. In den übrigen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Revisionen der Kläger dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung in den Besoldungsgruppen A 9, A 10 und A 11 in den jeweils betroffenen Jahren mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar war.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die Vorschriften über die Besoldung der Beamten in den Besoldungsordnungen A des Landes Berlin der Jahre 2008 bis 2020 sind zu großen Teilen mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar.

I. Die Vorlage ist auf sämtliche Besoldungsordnungen A des Landes Berlin sowie auf den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2020 zu erweitern.

Die Besonderheiten des Beamtenrechts rechtfertigen hier eine Erweiterung des Prüfungsgegenstandes über den Vorlagegegenstand hinaus. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Anspruchs auf amtsangemessene Besoldung steht vor der Herausforderung, dass es für die Besoldung sowohl von Verfassungs wegen als auch nach einfachem Recht eines Parlamentsgesetzes bedarf. Eine erfolgreiche Klage auf amtsangemessene Besoldung setzt daher eine verfassungsgerichtliche Normenkontrolle voraus. Angesichts der Vielzahl von Besoldungsordnungen und Besoldungsgruppen birgt die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf amtsangemessene Besoldung das Potenzial, die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts bis hin zu einer Blockade zu beeinträchtigen. Die Erweiterung der Prüfungsgegenstände ist schließlich auch deshalb sinnvoll, weil die vorliegende Entscheidung für zahlreiche vergleichbare Verfahren aus anderen Ländern relevant ist. Schließlich ist sie auch mit Blick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und insbesondere die Gewährleistungen der Europäischen Menschrechtskonvention geboten.

II. Der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Beamten zu messen sind, ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5 GG.

1. Das Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Dienstherrn, Beamten und ihren Familien lebenslang einen amtsangemessenen Unterhalt zu gewähren. Es hat – im Zusammenwirken mit dem Lebenszeitprinzip – vor allem die Funktion, die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten im Interesse einer fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen Verwaltung zu gewährleisten. Das Berufsbeamtentum sichert auf diese Weise das Prinzip der freiheitlichen Demokratie gegen Übergriffe zusätzlich ab.

2. Die Garantie eines amtsangemessenen Unterhalts stellt eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende Gestaltungsdirektive dar, bei deren konkreter Umsetzung der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum besitzt. Er überschreitet die Grenzen dieses Spielraums, wenn die Besoldung im Hinblick auf Zweck und Gehalt des Alimentationsprinzips evident unzureichend ist. Dies unterliegt der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.

Mit dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers korrespondiert eine materielle Darlegungslast, der – sofern sie nicht bereits im Gesetzgebungsverfahren erfüllt worden ist – nachträglich im Gerichtsverfahren durch den über die maßgeblichen Erwägungen unterrichteten Dienstherrn genügt werden kann. Sie tritt an die Stelle der in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geforderten Einhaltung prozeduraler Anforderungen.

Die verfassungsgerichtliche Kontrolle muss nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Gewähr dafür bieten, dass dem – nicht zum Streik berechtigten – Beamten mit dem gerichtlichen Rechtsschutz ein wirksames Mittel zur Verfügung steht, sein individuelles verfassungsmäßiges Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt gerichtlich durchzusetzen. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass nach dem Fachrecht die prozessuale Risikoverteilung einseitig zulasten des Beamten ausgestaltet ist, weil dieser eine Erhöhung der Besoldung nur auf dem Klagewege erwirken kann. Deshalb müssen die der gerichtlichen Kontrolle allgemein zugrunde gelegten Maßstäbe den Beamten in die Lage versetzen, die Verfassungskonformität der Besoldung einzuschätzen und auf dieser Grundlage eine informierte Rechtsschutzentscheidung zu treffen.

3. Die Freiheit des im aktiven Dienst befindlichen Beamten von existenziellen finanziellen Sorgen setzt voraus, dass seine Besoldung mindestens so bemessen ist, dass sie einen hinreichenden Abstand zu einem ihn und seine Familie treffenden realen Armutsrisiko sicherstellt. Ein solcher Abstand ist nach Erkenntnissen der Armutsforschung nur gewahrt, wenn das Einkommen die sogenannte Prekaritätsschwelle von 80 % des Median-Äquivalenzeinkommens erreicht (Gebot der Mindestbesoldung).

a) Das Median-Äquivalenzeinkommen ist ein statistischer Ansatz, um die nominalen Netto-Haushaltseinkommen einer Gesellschaft durch differenzierte Gewichtung nach Zahl und Alter der Haushaltsmitglieder miteinander vergleichbar zu machen.

b) Die in der Senatsrechtsprechung bisher vorgenommene Prüfung am Maßstab des Grundsicherungsniveaus wird fortentwickelt. Denn durch den Bezug zur Grundsicherung wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Alimentation des Beamten und seiner Familie etwas qualitativ anderes ist als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung. Während die Grundsicherung an die Bedürftigkeit der Betroffenen anknüpft und auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlichen Mittel beschränkt ist, steht die Besoldung im Zusammenhang mit der spezifischen Pflichtenstellung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn und ist nach der Bedeutung seines statusrechtlichen Amtes zu bemessen. Ausweislich vom Senat angestellter Vergleichsberechnungen führt dies nicht zu einer substanziellen Erhöhung des Mindestbesoldungsniveaus.

c) Wird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe die Schwelle zur Prekarität unterschritten, liegt allein hierin ein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip. Einer Prüfung, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe am Maßstab der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards gerecht geworden ist, bedarf es dann nicht. Eine Unterschreitung der Mindestbesoldung ist jedoch noch der Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht zugänglich.

4. Ob der Gesetzgeber unabhängig von der Erfüllung des Gebots der Mindestbesoldung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung über die Jahre hinweg Rechnung getragen hat, muss anhand einer zweistufigen Gesamtschau verschiedener Kriterien beurteilt werden (Fortschreibungsprüfung).

a) Auf der ersten Prüfungsstufe sind ein Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung von drei volkswirtschaftlichen Vergleichsgrößen (Tariflohnindex, Nominallohnindex, Verbraucherpreisindex) sowie ein systeminterner Besoldungsvergleich, dem das Abstandsgebot zugrunde liegt, vorzunehmen. Die Besoldungsentwicklung wird ebenso wie die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Vergleichsgrößen methodisch jeweils mit Hilfe eines auf das feste Basisjahr 1996 zurückgehenden Index erfasst. Damit geht im Ergebnis eine erhebliche Vereinfachung der Prüfung für die Fachgerichtsbarkeit einher. Zugleich dient sie der Gewährleistung effektiven – also zeitnahen – Rechtsschutzes.

Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung einer der drei genannten Vergleichsgrößen von mindestens 5 % ist jeweils ein Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsprinzips (erster bis dritter Parameter).

Der vierte Parameter ergibt sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich, dem das Abstandsgebot als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zugrunde liegt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung. Eine Verletzung des Abstandsgebots kann entweder in der deutlichen Verringerung der Abstände zwischen Besoldungsgruppen (unmittelbarer Verstoß) oder in der Unterschreitung der gebotenen Mindestbesoldung in einer niedrigeren Besoldungsgruppe (mittelbarer Verstoß) bestehen.

b) Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe stets mit weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer wertenden Betrachtung zusammenzuführen. Sind mindestens zwei Parameter erfüllt, besteht eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unterbesoldung. Wird kein Parameter erfüllt, wird eine amtsangemessene Besoldung vermutet. Ist ein Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe auf der zweiten Stufe besonders eingehend gewürdigt werden. Auf der ersten Prüfungsstufe festgestellte Vermutungen können sowohl erhärtet als auch widerlegt werden. Die wertende Betrachtung aller alimentationsrelevanten Aspekte ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers.

5. Eine gegen das Gebot der Mindestbesoldung verstoßende oder nach den vorstehenden Maßstäben unzureichend fortgeschriebene Besoldung kann ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Die Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG ist – soweit sie mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert – entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Indes vermögen allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation nicht einzuschränken.

III. An diesen Maßstäben gemessen verstoßen die der Prüfung unterzogenen Besoldungsvorschriften des Landes Berlin bezüglich der Besoldungsordnungen A für die Jahre 2008 bis 2020 mit wenigen Ausnahmen gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

1. Für den überwiegenden Teil dieser Vorschriften ist bereits festzustellen, dass sie die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung nicht sicherstellen. Die Prüfung ergibt, dass die verfassungsrechtlich gebotene Mindestbesoldung in den Jahren 2008 und 2009 in den Besoldungsgruppen A 2 bis A 9, in den Jahren 2010 bis 2015 in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 10 und in den Jahren 2016 bis 2020 in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 11 unterschritten wird. Hieraus folgt, dass im gesamten der Prüfung unterliegenden Besoldungsspektrum 57,8 % der Jahresnettobeträge der Besoldungsordnungen A die Mindestbesoldung verfehlen.

2. Unabhängig von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle in den vorgenannten Besoldungsgruppen und Jahren hat der Gesetzgeber seine Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung in zahlreichen Besoldungsgruppen und Jahren evident verletzt.

a) Im Rahmen der ersten Prüfungsstufe ergibt sich anhand eines Vergleichs des Besoldungsindex mit den indexierten Werten für die relevanten Vergleichsgrößen (Tariflohn, Nominallohn, Verbraucherpreise) sowie eines systeminternen Besoldungsvergleichs (Abstandsgebot), dass für zahlreiche Besoldungsgruppen (A 4 bis A 16) und Zeiträume die Vermutung für eine Unteralimentation besteht, weil von den gegenüber der bisherigen Rechtsprechung auf insgesamt vier reduzierten Parametern jeweils mindestens zwei erfüllt sind.

Der sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich ergebende vierte Parameter ist jedenfalls für die Besoldungsgruppen A 10 bis A 16 in den Jahren 2008 und 2009, für die Besoldungsgruppen A 11 bis A 16 in den Jahren 2010 bis 2015 und für die Besoldungsgruppen A 12 bis A 16 in den Jahren 2016 bis 2020 wegen mittelbarer Verstöße gegen das Abstandsgebot erfüllt. Angesichts der bis weit in den gehobenen Dienst reichenden Unterschreitung der Mindestbesoldung ist das Besoldungsgefüge nachhaltig erschüttert. Damit ist für sämtliche oberhalb der von der Unterschreitung der Prekaritätsschwelle unmittelbar betroffenen Besoldungsgruppen liegenden oberen fünf bis sieben Besoldungsgruppen als Folgewirkung eine mittelbare Verletzung des Abstandsgebots anzunehmen.

b) aa) Die Vermutung der Unteralimentation wird durch eine wertende Betrachtung auf der zweiten Prüfungsstufe nicht widerlegt. Die Nichtbeachtung des Alimentationsprinzips bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung lässt sich nicht durch gegenläufige Aspekte entkräften. Derartige Aspekte hat der insoweit darlegungsbelastete Gesetzgeber nicht aufgezeigt. Sie sind auch sonst nicht erkennbar.

Besonders fällt ins Gewicht, dass das Land Berlin nach der Föderalismusreform I im Jahr 2006 für die Grundgehaltssätze der A-Besoldung über einen erheblichen Zeitraum hinweg bewusst von einer landesrechtlichen Anpassung der Bezüge absah. Die letzte lineare Besoldungserhöhung (um 1 %) datierte auf den 1. August 2004, bis schließlich das Land Berlin mit dem Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 erstmals eine eigenständige Regelung traf. An diese Phase des vollständigen Ausfalls der Gestaltungsverantwortung knüpften dann erste lineare Erhöhungen an, die aber durch den ersatzlosen Wegfall der in den Jahren 2008 und 2009 auf 940 Euro jährlich erhöhten Sonderzahlung gegenfinanziert und damit letztlich konterkariert wurden. Anzuerkennen ist zwar, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip in den Gesetzgebungsverfahren der Jahre 2016 bis 2020 zur Kenntnis genommen wurde. Aber die Anstrengungen sind – insbesondere in Ansehung der faktischen Versteinerung der Grundgehaltssätze in den Jahren 2004 bis 2010 – unzureichend, um die feststellbare evidente Abkoppelung der Besoldung von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung wirksam zu korrigieren und damit dem Gewährleistungsgehalt von Art. 33 Abs. 5 GG zu entsprechen.

bb) Für die Besoldungsgruppen A 14 und A 15 in den Jahren 2016 und 2017, für die Besoldungsgruppe A 14 im Jahr 2019 und für die Besoldungsgruppen A 14, A 15 und A 16 im Jahr 2020 kann bei einer eingehenden Würdigung aller alimentationsrelevanten Kriterien eine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG nicht festgestellt werden.

3. Die festgestellte Unteralimentation kann auch nicht durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden.

IV. Als Gesamtergebnis ist festzuhalten, dass rund 95 % der zu prüfenden Besoldungsgruppen in den Jahren 2008 bis 2020 mit dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig sind.

 

Quelle: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Pressemitteilung ,Nr. 105/2025 vom 19.11.2025


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